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V.l.n.R.:Eingangsbereich des Bergmannsheil um 1900, Pferdewagen zum Transport
Kranker und Verletzter
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Das Bergmannsheil Da unsere Internetseite für eine detaillierte Darstellung der vielschichtigen Geschichte des Bergmannsheils in den nahezu 125 Jahren seines Bestehens einen unzureichenden Rahmen bietet, konzentrieren sich die folgenden Ausführungen auf die Gründung, die bauliche Veränderung und die Entwicklungen von besonderer Relevanz. Im Zuge der Industrialisierung veränderte sich der bergmännische Arbeitsplatz innerhalb weniger Jahrzehnte vollständig. Arbeitete während der 1840er-Jahre noch ein Großteil der Belegschaften in den Stollenzechen im Bereich der Ruhr, bestimmten bereits in den 1880er-Jahren die Tiefbauzechen der Hellwegstädte und des Emscherraums das Bild. Auch hier dominierte weiterhin die Handarbeit in Abbau und Förderung der Steinkohle, doch sorgten die größere Teufe und die ausgedehnteren Streckennetze unter Tage in Verbindung mit neuen Abbauverfahren für einen Anstieg der Betriebsgefahren. Grubenunglücke wie Schlagwetter- und Kohlenstaubexplosionen mit teilweise zahlreichen Toten wurden im Ruhrgebiet zu regelmäßigen Ereignissen, „Unglückszechen“ wie die Bochumer Zeche Neu-Iserlohn waren in kurzer Zeit mehrfach betroffen. Gleichzeitig erhöhte sich die Anzahl der Verletzungen und Todesfälle, vor allem durch Stein- und Kohlenfall in unzureichend ausgebauten Abbaubetrieben und bei der Streckenförderung. 1913 starben im Ruhrbergbau über 1.000 der 440.000 über und unter Tage beschäftigten Bergarbeiter, während zugleich 15 % der Belegschaften oder 66.000 Mann einen meldepflichtigen Unfall erlitten. Ein höheres Todesrisiko bestand zu dieser Zeit nur in der Binnenschifffahrt, ein höheres Unfallrisiko nur im Straßentransportgewerbe. Diese besonderen Gefahren hatten bereits im Erzbergbau des Mittelalters zur Entstehung besonderer Einrichtungen geführt, die Bergleute und ihre Familien absicherten. Die ersten Knappschaften entstanden als Zusammenschluss der Knappen und der Bergwerkseigentümer ab Mitte des 14. Jahrhunderts mit dem Ziel der gegenseitigen finanziellen Unterstützung im Unglücksfall. Als der preußische Staat Anfang der 1850er-Jahre das Direktionsprinzip zugunsten des nur noch kontrollierenden Inspektionsprinzips aufhob, den Bergbau liberalisierte und den Zecheneigentümern die Aufsicht und Leitung ihrer Anlagen übertrug, wurde die Mitgliedschaft in einer Knappschaft verpflichtend. Gleichzeitig verloren die Bergleute jedoch ihre privilegierte Stellung. Sie wurden der Industriearbeiterschaft gleichgestellt, deren Position gegenüber den Unternehmern durch eine weitgehende Rechtlosigkeit geprägt war. Das vorherrschende „Herr-im Haus-Prinzip“ entmündigte den Arbeiter nicht nur, sondern ließ ihn auch allein mit Unfallgefahren und -folgen. So musste nach dem in den 1870er-Jahren eingeführten Haftpflichtgesetz die Schuld des Unternehmers durch den Arbeiter nachgewiesen werden, um eine Entschädigung zu erhalten – ein weitgehend aussichtsloses Unterfangen. Auf die unhaltbaren Arbeits- und Lebensbedingungen vieler Arbeiter und den Aufstieg der Sozialdemokraten reagierte die Reichsregierung unter Bismarck 1878 zunächst mit dem Sozialistengesetz, das zwar nicht die Parteien verbot, jedoch alle politischen Aktivitäten. Anfang der 1880er-Jahre entschloss man sich auch aus Furcht vor unlösbaren Konflikten schließlich zu einem Entgegenkommen und begann, die wenig wirksame Verbotsstrategie durch sozialpolitische Maßnahmen zu ergänzen. Die weltweit erste, weite Teile der Bevölkerung erfassende Sozialversicherung war 30 Jahre nach dem Bergbau geboren. Den Anfang machte 1883 das Krankenversicherungsgesetz, ein Jahr später folgte das Unfallversicherungsgesetz und 1889 das Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz. Die Trägerschaft der gesetzlichen Unfallversicherung übernahmen Berufsgenossenschaften innerhalb der einzelnen Gewerbezweige. Obwohl mit mehreren Knappschaftsvereinen für den Bereich des Bergbaus angestammte Träger vorhanden waren, blieb auch diese Branche nicht von den Neuerungen ausgespart. 1885 entstand die Knappschafts-Berufsgenossenschaft (KBG) mit Sitz in Berlin, seit 1944 Bergbauberufsgenossenschaft (BBG) und ab 1947 mit Sitz in Bochum, seit 2010 nach Fusion mit anderen Berufsgenossenschaften Teil der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie. Obwohl das Unfallversicherungsgesetz zunächst nur eine geringe Lohnfortzahlung und die Übernahme der Behandlungskosten ab der 14. Woche der Arbeitsunfähigkeit vorsah, erkannten die Verantwortlichen der KGB schon bald, dass ein umgehender Beginn der ärztlichen Behandlung nach einem Unfall die wichtigste Grundlage einer raschen Gesundung und damit Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit darstellte. Sie gewährten daher als freiwillige Leistung schon vor Ablauf der 13. Woche die Kostenübernahme für die Behandlung. In diesem Kontext entstand der Gedanke, ein eigenes Krankenhaus für Bergleute zu errichten. Eine ähnliche Position vertraten nun auch die im Bergbauverein organisierten Unternehmen, die sich im Juni 1887 dazu bereit erklärten, 170.000 Mark aus einem Konventionalstrafenfonds des Bergbauvereins zur Verfügung zu stellen. Die für Gemeinschaftsarbeiten des Ruhrbergbaus und die bergmännische Ausbildung zuständigen Westfälischen Berggewerkschaftskasse (WBK) übernahm die Planungs- und Organisationsarbeiten. Angesichts dieser breiten Unterstützung aller relevanten Gruppen und einer gesicherten Finanzierung entschied sich die gemeinsame Planungskommission am 13. Juli 1887 für den Bau des Krankenhauses im Wiemelhauser Hunscheidtsfeld, verkehrsgünstig gelegen unweit der Grenze zu Bochum an der Hattinger Chaussee und vor allem in unmittelbarer Nähe des damaligen Bahnhofs. Vorteile versprachen auch die freie Lage inmitten von Wiesen und Waldgebieten. Kurz darauf wurde das 2,5 ha große Gelände vom Wiemelhauser Bauern Backwinkel für ca. 33.000 Mark erworben und der Bochumer Architekt Schwenger mit der Ausarbeitung eines Entwurfs für den Krankenhausneubau beauftragt. Wann die Entscheidung für den Namen „Bergmannsheil“ fiel, ist nicht exakt nachvollziehbar. Die bei der Grundsteinlegung am 5. Juni 1888 eingemauerte Stiftungsurkunde sprach wie die Bochumer Tagespresse noch lapidar von einem „Krankenhaus“. Dass es sich bei dem Projekt um das weltweit erste reine Unfallkrankenhaus handelte, war den Beteiligten zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar – diese Erkenntnis sollte sich erst während der vielbeachteten Eröffnung des Bergmannsheils am 1. März 1890 einstellen. Die WBK fungierte weiterhin als Träger des Hauses, das sie jedoch der KBG zur unentgeltlichen Nutzung überließ. Erst 1902 konnte die KGB das Bergmannsheil mit Zustimmung des Reichsversicherungsamtes übernehmen. Dass bei der Errichtung des Bergmannsheils die neuesten Erkenntnisse des Krankenhausbaus und der Hygiene berücksichtigt wurden, belegen die gutachterliche Beteiligung und Beratung zahlreicher anerkannter Mediziner, die eingehenden Vorschriften der zuständigen Behörden und nicht zuletzt die sich schließlich auf 650.000 Mark belaufenden Gesamtkosten. Das entlang der Hattinger Chaussee ausgerichtete erste Gebäude war seiner Zeit dann in vielen Bereichen auch weit voraus. Es entstand nicht mehr im bevorzugten Pavillonstil mit mehreren separaten Bauten, sondern nach dem kostengünstigeren sogenannten „Kasernensystem“ und bot auf drei Etagen Platz für 100 verletzte Bergleute. Im Vordergrund stand die Infektionsprophylaxe im Wundbereich, die nach den neuesten Erkenntnissen der Hygiene auch in diesem Bautyp gewährleistet war. Auf eine „Baracke“ für Bergleute mit Infektionskrankheiten wurde dennoch nicht verzichtet. Die Krankensäle mit jeweils mehr als 20 Betten besaßen fugenlöse Böden, mit Ölfarben gestrichene Wände, Spucknäpfe und verzichteten auf Gardinen oder sonstigen Zimmerschmuck. Die Beheizung erfolgte über Heizkörper und eine zentrale Luftheizung, die zudem für eine durchgängige Belüftung der Räume sorgte. Fließendes Wasser und Wassertoiletten auf den Etagen, die jedoch noch nicht an eine Kanalisation angeschlossen waren, und Feuerlöschschläuche ergänzten die moderne Ausstattung. Eine absolute Besonderheit im Bochumer Raum war 1890 die elektrische Beleuchtung ‑ zwei Jahre bevor das erste städtische Elektrizitätswerk am Rathaus gebaut wurde. Außerdem besaß das Bergmannsheil einen der wenigen Telefonanschlüsse, sodass die Zechen die bevorstehende Aufnahme von Patienten anmelden konnten. Die Bergleute betrachteten ihre Heilanstalt zunächst mit großer Skepsis. Dies war wenig verwunderlich, denn 1889 hatte der bis dahin größte und erste ruhrgebietsweite Bergarbeiterstreik stattgefunden, der sich gegen die zahlreichen Missstände auf den Gruben, schlechte Arbeitsbedingungen und das unnachgiebige Regime der Unternehmer wandte. Für viele war das Bergmannsheil daher nicht mehr als eine „Zuchtanstalt“ oder, einen verbreiteten Vorwurf der Arbeitgeber aufnehmend, ein „Internierungsort für Simulanten“, zumal es von Beginn an auch als Gutachterstelle fungierte und den Patienten dezidierte „Verhaltensregeln“ vorschrieb. Ähnliches galt jedoch für Ärzte und das Pflegepersonal, die im Krankenhaus wohnten und nur jeden dritten Sonntag freibekamen. Der erste Oberarzt (Chefarzt) Carl Löbker äußerte vor diesem Hintergrund 1890 den Wunsch: „Wir dürfen uns nun mit Recht der Hoffnung hingeben, daß durch die Einrichtung des Krankenhauses ‚Bergmannsheil‘ ein Institut geschaffen ist, welches in hohem Maße geeignet ist, zur Milderung der im Revier bestehenden Gegensätze beizutragen.“ Und er sollte nicht lange auf Erfolge warten müssen. Schon bald wandte sich das Bild, denn die Botschaft von den medizinischen Erfolgen verbreitete sich rasch unter den Bergleuten. Dazu trug auch das 1892 eröffnete „Medico-mechanische Institut“ bei, wo als Nachbehandlung Krankengymnastik und Rehabilitationsmaßnahmen an Übungsmaschinen durchgeführt wurden. Das Bergmannsheil befand sich nun bis zum Ersten Weltkrieg in ständiger Erweiterung und Entwicklung. Anfang 1893 wurde ein erster Erweiterungsbau bezogen, da das Haus schon im zweiten Jahr seiner Existenz regelmäßig mit 150 Patienten belegt war, obwohl es nur für 120 geplant worden war. Das Gebäude diente außerdem zur Erweiterung der Ambulanz, nahm weitere Operationssäle auf und bot Raum für die neue Funktion einer Zentralstelle für die Begutachtung von Unfallrentenempfängern, deren Zahl bis zur Jahrhundertwende auf annähernd 5.000 anstieg. Gleichzeitig entstand ein Wohngebäude für den Verwalter und das weibliche Personal, das ab 1894 durch Schwestern des Roten Kreuzes verstärkt wurde. Ein Jahr später folgten an der Südwest-Ecke des Haupthauses „Tageshallen“ über alle drei Etagen, eine Art Wintergarten, in denen sich nicht bettlägerige Patienten aufhalten konnten. Ein Meilenstein der Medizingeschichte des Ruhrgebiets war 1896 die Einrichtung einer Röntgenabteilung in einem eigenen Gebäude ‑ weniger als ein Jahr, nachdem Wilhelm Conrad Röntgen die nach ihm benannten Strahlen entdeckt hatte. Mit der ersten Röntgenabteilung in der weiteren Umgebung entstanden ein „Photographisches Cabinett“ und ein Labor. 1898 wurde die Küche in einen eigenen Bau ausgelagert und eine eigene Wäscherei eingeführt. Das stetige Anwachsen der Zechenbelegschaften und der Bochumer Bevölkerung, die ebenfalls im Bergmannsheil versorgt wurde, machte sich in den Statistiken des Bergmannsheils bemerkbar. Im Jahr 1900 wurden 2.600 Patienten behandelt, darunter knapp 600 Frischverletzte, für die nun hinter dem Hauptgebäude ein weiterer Pavillon mit 26 Betten und Operationssaal errichtet wurde. Das Haupthaus erhielt in dieser Zeit einen ersten Fahrstuhl für den Patiententransport. Ein entscheidender Schritt in die Zukunft war 1906 die Erweiterung des Krankenhausgeländes um 1,25 ha durch den Ankauf eines benachbarten Grundstücks im Südosten. 1909 und 1910 gingen zwei weitere langgestreckte Pavillonbauten in Betrieb, die sich rechts und links an ihren Vorgänger anschlossen und mit diesem die Form eines nach Süden ausgerichteten „E“ bildeten. Das Bergmannsheil verfügte nun über 350 Betten. Es folgten die Renovierung des Haupthauses und die Verbindung aller Gebäude durch einen überdachten Gang. Den Abschluss machten 1913 ein Maschinenhaus im westlichen Geländeteil an der heutigen Hunscheidtstraße, das den hohen Wärme- und Energiebedarf des Bergmannsheils deckte, und eine Chefarztvilla an der Friederikastraße. Das Krankenhaus bestand damit vor dem Ersten Weltkrieg aus einem klar gegliederten, aufgelockerten Gebäudekomplex mit fünf Baukörpern und diversen Nebengebäuden, die teilweise unterirdisch miteinander verbunden waren, und großen, parkähnlichen Freiflächen. Mit Kriegsbeginn im Sommer 1914 änderte sich die Situation des Bergmannsheils grundlegend. Das Krankenhaus musste fast zwei Drittel der Betten für verwundete Soldaten bereitstellen, die das Kontingent schon im ersten Monat ausfüllten. Die Einberufung von Ärzten und Pflegern führte zu einem eklatanten Personalmangel mit entsprechenden Folgen für die Patientenversorgung. Auch der kurz zuvor angeschaffte erste eigene Krankenwagen wurde konfisziert, sodass wieder auf das angestammte Transportmittel des Pferdewagens zurückgegriffen werden musste. Das Krankenhaus fungierte ab 1915 als zentrale Verwaltungs- und Organisationsstelle für mehrere Lazarette im Bochumer Raum und übernahm auch die Kriegsbeschädigtenfürsorge im Bochumer Raum. Im Vordergrund stand die Behandlung von schweren Verletzungen der Extremitäten, die zahlreiche Soldaten im mörderischen Stellungskrieg der Westfront davontrugen. Angesichts der hohen Anzahl an Amputationen begann im Bergmannsheil die Produktion von Prothesen, die Ende 1918 zur Gründung einer eigenen Orthopädischen Werkstatt führte. Die Jahre nach Kriegsende waren durch Bürgerkrieg, Inflation und die französische Besetzung des Ruhrgebiets geprägt. Rückläufige Patientenzahlen und die rasante Geldentwertung zwangen das Bergmannsheil zur vorübergehenden Schließung mehrerer Abteilungen. Zur Nahrungsmittelversorgung nahm das Krankenhaus auf seinen Freiflächen die Haltung von Schweinen auf. An eine bauliche Weiterentwicklung konnte unter diesen Umständen zunächst kaum gedacht werden. So blieben die Aufstockung des neben dem Haupthaus liegenden Gebäudes mit den Operationssälen um eine Etage und die Erweiterung der Orthopädischen Werkstatt die einzigen nennenswerten Baumaßnahmen der unmittelbaren Nachkriegszeit. Dies bedeutete jedoch nicht, dass einige teilweise schon vor dem Krieg geplante Projekte nicht umgesetzt wurden. Am Anfang stand 1919 eine Prosektur, die pathologische Untersuchungen durchführte und neben dem 1912 gegründeten Dortmunder Institut erst das zweite seiner Art im Ruhrgebiet war. Mit der im Herbst 1920 eingerichteten Inneren und Neurologischen Klinik beschritt das Bergmannsheil nach 30 Jahren neue Wege, erweiterte sein Tätigkeitsspektrum erheblich und stellte die Weichen für die ab Mitte der 1920er-Jahre fortgeführte Expansion. Die Bergleute waren zwar mittlerweile seit rund 40 Jahren kranken- und unfallversichert, doch gehörten die durch die spezifischen Dauerbelastungen der Arbeit unter Tage entstehenden Erkrankungen noch weitgehend zum persönlichen Risiko des Einzelnen. Ihre Ausklammerung aus den Versicherungsleistungen folgte dem Gedanken, dass gleiche Tätigkeiten bei ähnlichen Arbeitsbedingungen und -leistungen innerhalb eines gewissen Zeitraums bei einigen Bergleuten zu Schäden führten, während andere nicht betroffen waren. Eine solche besondere Disposition galt im Kaiserreich als schicksalshaft und nicht versicherbar. Diese Einstellung sollte sich nun nach Ansicht der demokratischen Weimarer Regierung in zahlreichen Berufszweigen ändern. Die neue Sicht auf die Gesundheitsgefahren des Bergbaus folgte nicht zuletzt den im Bergmannsheil bei der Begutachtung von Bergleuten gewonnenen Erkenntnissen. Während die erste Berufskrankheitenverordnung von 1925 die Wurmkrankheit, eine parasitäre Darmerkrankung, und die durch radioaktive Gase verursachte „Schneeberger Lungenkrankheit“ berücksichtigte, brachte die zweite Verordnung von 1929 den Durchbruch. Jetzt wurden auch die weit verbreitete Steinstaublunge, die Silikose, und die „Abbauhammerkrankheit“, Erkrankungen der Gelenke, Knochen und Muskeln durch die Arbeit mit Pressluftwerkzeugen entschädigt. Dazu kamen chronische Hautkrankheiten durch den Einfluss von Chemikalien, Kohlendioxyd und Benzol, die vor allem Kokereiarbeiter betrafen. Vor diesem Hintergrund wuchs die Anzahl der Gutachten im Bergmannsheil von 4.500 im Jahr 1925 auf 11.000 im Jahr 1931. Schon Mitte der 1920er-Jahre arbeitete das Bergmannsheil wieder stetig am Rande seiner Kapazitäten, sodass sich die KBG zu weitreichenden Baumaßnahmen entschloss. Zwischen 1927 und 1929 entstand in Gelsenkirchen-Buer das Bergmannsheil II mit 250 Betten. Mit der Entscheidung für einen zweiten Standort im Norden des Ruhrgebiets verbesserte sich die Krankenversorgung in der Emscher- und Lippezone, in der durch die Nordwanderung und betriebliche Umstrukturierungen in den vergangenen Jahrzehnten die neuen Bergbauzentren des Ruhrgebiets entstanden waren. Gleichzeit fiel die Entscheidung, in Bochum ein eigenes Gebäude für die Innere Abteilung und die Neurologie mit 120 Betten zu errichten, das ebenfalls 1929 an der Friederikastraße in Betrieb ging. In diesem Kontext entstand auch die erste eigene Krankenhausapotheke, und die Pathologie zog aus dem „Leichenhaus“ in eigene Räume. Es folgten umfangreiche Modernisierungen am Haupthaus und den Pavillons, die während der Weltwirtschaftskrise fertiggestellt wurden. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten kam es auch im Bereich der Sozialversicherung zu gravierenden Änderungen. Die Angleichung sämtlicher gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Strukturen an die Strukturen des nationalsozialistischen Machtapparates im Zuge der „Gleichschaltung“ beseitigte den bereits in der Bismarckschen Gesetzgebung verankerten und später weiterentwickelten Gedanken der Selbstverwaltung der Beteiligten zugunsten des „Führerprinzips“. Die Grundlagen der Sozialversicherung wurden durch die nationalsozialistische Gesetzgebung jedoch nicht umgestoßen, da die zunächst vorgesehene Einführung einer Einheitsversicherung unter Einheitsverwaltung nicht umgesetzt wurde. Für die Patienten bedeutete vor allem das Anfang November 1935 eingeführte Durchgangsarztverfahren eine Umstellung, denn es beseitigte für die Mitglieder der Berufsgenossenschaften nicht nur die bis dahin freie Arztwahl, sondern führte auch einen neuen Kontrollmechanismus in das System ein. Von nun an mussten alle bei ihrer beruflichen Tätigkeit Verletzten umgehend dem D-Arzt vorgestellt werden, der über die weitere Behandlung entschied. Das Bergmannsheil profitierte von der Regelung, denn der seit Ende 1933 amtierende Chefarzt der Chirurgischen Klinik Heinrich Bürkle de la Camp – nach ihm ist der gleichnamige Platz, die heutige Hausadresse, benannt – wurde zum D-Arzt ernannt. Da jetzt auch Versicherte anderer Berufsgenossenschaften ins Bergmannsheil drängten, verdreifachte sich die Anzahl der Patienten von 7.300 im Jahr 1934 auf fast 21.000 im Jahr 1937. Schon Anfang 1934 wurde der Krankenhausbetrieb im Vorgriff auf die zu erwartende Entwicklung durch die Einrichtung eines Aufnahmezimmers und einer Wachstation für Schwerverletzte umorganisiert. Dazu kamen eine „septische Station“ mit eigenem Operationssaal, eine Urologie und eine Kinderstation in einem aufgestockten Gebäudeflügel. Das Bergmannsheil hatte schon früh mit der Ausbildung von Pflegekräften begonnen. 1900 wurde die Schulung von Zechenmitarbeitern zu Heildienern aufgenommen, die vor Ort erste Hilfe leisten konnten. 1934 folgten eine Staatliche Krankenpflegeschule und eine Staatliche Massageschule, 1938 eine Schwesternschule für die Schwestern des Roten Kreuzes. In diesem Zusammenhang wurde 1936 ein Schwesternwohnheim errichtet, das auch die das Bergmannsheil II mitversorgende erste eigene Hausapotheke aufnahm. Die Massageschule verdeutlicht den Wandel der Nachbehandlung, die in den 1920er-Jahren nach und nach die klassischen medico-mechanischen Therapien zugunsten moderner physikalischer Behandlungen mit Massagen und Wärme aufgegeben hatte. Während des Zweiten Weltkriegs zeigten sich Bergmannsheil ähnliche Entwicklungen wie schon 25 Jahre zuvor. Eingespielte Abläufe wurden durch die Einberufung von Teilen des Pflegepersonals und der Ärzteschaft empfindlich gestört. Zunächst lief der Betrieb unter den veränderten Bedingungen weitgehend ungestört weiter, bis sich ab 1942 die Situation spürbar auswirkte. In der Nacht auf den 14. Mai 1943 trafen die ersten Bomben das Krankenhaus und zerstörten das Obergeschoss des Operationstraktes. Da das Bergmannsheil bis dahin über keine Schutzeinrichtungen verfügte, begann mit Unterstützung der Belegschaften benachbarter Zechen umgehend der Bau eines Luftschutzstollens, der im 24 m unter dem Gelände verlaufenden alten Friederica-Erbstollen (siehe Bergbau im Ehrenfeld) entstand. Die zunehmende Anzahl der Luftangriffe beeinträchtigte den Krankenhausalltag empfindlich, da bei jedem Alarm das gesamte Krankenhaus evakuiert werden musste. Auch die Ehrenfelder Bevölkerung suchte in dem durch neun Eingänge gut zugänglichen Stollen Schutz. Im Verlauf des größten Luftangriffes, der am 4. November 1944 weite Teile Bochums und des Ehrenfelds zerstörte, wurde auch das Bergmannsheil so stark getroffen, dass der Betrieb eingestellt werden musste. Die Gebäude der Chirurgischen Klinik an der Hattinger Straße glichen einer Trümmerwüste, die der Inneren Klinik waren stark beschädigt. Das Bergmannsheil zog in mehrere Ausweichquartiere, darunter die Landesfrauenklinik an der Alexandrinenstraße, wo gegen Kriegsende noch ein Ortslazarett der Wehrmacht eingerichtet wurde. Die US-amerikanische Militärverwaltung erklärte das Lazarett nach der Befreiung Bochums am 10. April 1945 zum „Ausländerkrankenhaus“, und das Bergmannsheil bezog Haus Goy in Altenbochum, das bis 1950 genutzt wurde. Ab Herbst 1945 stand auch die Landesfrauenklinik wieder zur Verfügung, die bis 1949 den Hauptstandort des Krankenhauses bilden sollte. Eine Grundvoraussetzung für das Weiterbestehen des Bergmannsheils war die Entscheidung zur Weiterführung der gesetzlichen Unfallversicherung durch die Berufsgenossenschaften, die sich jedoch angesichts unterschiedlicher Auffassungen in den einzelnen Besatzungszonen über die Ausgestaltung des Sozialversicherungswesens verzögerte. Erst als sich die Situation geklärt hatte und 1948 bei der BBG die Entscheidung gefallen war, das Bergmannsheil zum angestammten Standort zurückzuverlegen, begannen die Wiederaufbauarbeiten am Gebäude der Inneren Klinik, das im April 1949 als Haus I mit 230 Betten von der Chirurgischen Klinik bezogen wurde. Gleichzeitig entstand das Konzept des neuen Bergmannsheils nach den Plänen des Bochumer Architekten Hermann Wewers, das den Bau mehrerer Häuser im Pavillonsystem und die Verlegung des Krankenhauseingangs an die Hunscheidtstraße vorsah. Da mehrere Grünflächen die aufgelockerte Bauweise unterstreichen sollten, wurde die orthopädische Werkstatt an die Ermlandstraße und das „Maschinenhaus“ mit den Heizanlagen, Garagen und Werkstätten auf die andere Seite der Hunscheidtstraße verlegt. Ab 1950 trug das Haus den offiziellen Namen „Berufsgenossenschaftliche Krankenanstalten Bergmannsheil Bochum“. Im Juli 1951 konnte die Chirurgie das neue Haus II beziehen, dessen rote Klinkerfassade an der Südseite von durchlaufenden Balkonen durchbrochen wurde. Beide Gebäude wurden durch einen lichtdurchfluteten Gang, die Wandelhalle“, verbunden, die den Patienten mit Sitzgelegenheiten zwischen Aquarien und Pflanzen als Erholungsraum diente. 1952 folgte Haus III für die Innere und die neurologische Klinik. Neben dem Haupteingang entstanden das 8 x 18 m große Hallenbad und 1953 das neue Verwaltungsgebäude mit Hörsaal. 1955 siedelte sich schließlich die Medizinische Abteilung des Bochumer Silikose-Forschungsinstituts im Haus IV an der Hunscheidtstraße an. 1963 folgte Haus V mit der Isolierstation für Infektionskrankheiten. Damit war der Neubau abgeschlossen. Zugleich machten massive Bergschäden an Haus I, die 1955 sogar zur zwischenzeitlichen Schließung führten, 1958 eine umfassende Renovierung notwendig. 1966 musste der Hubschrauberlandeplatz in den Bereich der Kleingartenanlage „Bergmannsheil“ verlegt werden, da der Landeplatz zwischen den Häusern I und II den Sicherheitsanforderungen nicht mehr genügte. Die letzten Gebäude entstanden bereits auf dem Höhepunkt der Kohlenkrise, die sich von ersten Absatzschwierigkeiten 1958 rasch zu einer branchenweiten Strukturkrise ausgeweitet hatte, in deren Folge zahlreiche Zechen schließen mussten. In Bochum wurde 1973 mit Hannover-Hannibal die letzte Anlage stillgelegt. Das Bergmannsheil war von dieser Entwicklung zunächst nur als Unfallkrankenhaus betroffen, da sich der Trend bei den Berufskrankheiten aufgrund des vielfach verzögerten Auftretens der Beschwerden erst mit einigem zeitlichen Abstand bemerkbar machte. Dennoch war bereits Anfang der 1960er-Jahre deutlich, dass das Bergmannsheil sich vom Schwerpunkt des berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses hin zu einem Allgemeinkrankenhaus wandeln würde. Schon bald hatte sich der Anteil der Bergleute an den stationär Behandelten auf ein Viertel reduziert. Damit stand auch die berufsgenossenschaftliche Trägerschaft auf dem Prüfstand, denn deren Mittelzuweisung erfolgte ausschließlich zweckgebunden, während eine Querfinanzierung durch fremde Zuschüsse laut den gesetzlichen Vorgaben der Krankenhausfinanzierung untersagt war. Von besonderer Bedeutung für die anstehende Neuorientierung des Bergmannsheils sollten sich das traditionell hohe Niveau der Unfallchirurgie und die langjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Berufskrankheiten, aber auch seine Rolle als überregionales Schwerpunktkrankenhaus erweisen. Alleinstellungsmerkmale bestanden hier etwa durch die 1952 gegründete Abteilung für Querschnittsgelähmte und die 1964 etablierte Abteilung für Verbrennungskrankheiten, die 1966 zur Abteilung für Plastische Chirurgie und Verbrennungskranke erweitert wurde, nachdem seit 1945 bereits über 1.000 Patienten in diesem Bereich behandelt worden waren. Seit dieser Zeit bildete auch die Anästhesie eine eigenständige Fachabteilung. Als ab Mitte der 1960er-Jahre die Ruhr-Universität (RUB) errichtet wurde, sahen die Planungen für die Medizinische Fakultät zunächst ein eigenes Krankenhaus auf dem Campus vor, dessen Bau aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten Anfang der 1970er-Jahre jedoch nicht zustande kam. Es entstand die seinerzeit neuartige Idee einer Kooperation von Bergmannsheil und RUB, wobei zwischenzeitlich sogar die Möglichkeit einer Übernahme diskutiert wurde. Daraus entwickelte sich schließlich nach längeren Verhandlungen der beiden Beteiligten mit dem Land und der Stadt Bochum das „Bochumer Modell“, das die klassischen Wege der Medizinerausbildung verändern sollte. Das Bergmannsheil wurde zum 1. Januar 1977 mit drei anderen Bochumer Krankenhäusern zur Universitätsklinik, ohne jedoch seine Funktion als berufsgenossenschaftlichen Krankenhauses und seine Trägerschaft zu verlieren. Das Land trug die zusätzlichen Kosten, und die Stadt erklärte sich zur Übernahme des Bergmannsheils als städtische Klinik für den Fall bereit, dass die RUB es nicht mehr benötigen würde und die BBG die Trägerschaft abgeben wollte. Angesichts des erweiterten Aufgabenspektrums begann eine erneute mehrjährige Bau- und Modernisierungsphase, die die Strukturen des Bergmannsheils den Anforderungen anpassen sollte. Den Anfang machten noch 1977 die Einrichtung einer Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin und im folgenden Jahr einer Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie sowie einer Abteilung für Kardiologie und Angiologie innerhalb der Medizinischen Klinik und Poliklinik. Die Baumaßnahmen zielten auf die Beseitigung der Nachteile des Pavillonkonzepts, das nach außen zwar sehr ansprechend wirkte, jedoch die Zusammenarbeit einzelner Abteilungen erschwerte und für Patienten und Personal lange Wege bei Wind und Wetter bedeutete. 1980 wurde der Grundstein für den neuen 1984 in Betrieb genommenen Untersuchungs- und Behandlungstrakt zwischen Haus II und Haus III gelegt, der alle Behandlungseinrichtungen wie die Notfallaufnahme und die Röntgenabteilung zentralisierte und auch das neue Institut für Klinische Chemie und Labormedizin, Operationssäle und Intensivstationen aufnahm. Der Hubschrauberlandplatz auf dem Dach ermöglichte hier einen direkten Zugang. Durch dieses Konzept konnten die beiden älteren Häuser zu reinen Bettenhäusern umgestaltet werden. Haus V wurde durch einen unterirdischen Gang angebunden. Der neue Haupteingang mit der Eingangshalle, Patientenaufnahme, Friseursalon, Cafeteria und Kiosk erforderte eine Verlegung der Krankenhauseinfahrt an die Kreuzung von Gilsingstraße und Yorckstraße. 1986 wurde das neue siebengeschossige Bettenhaus I mit der Zentralküche im Untergeschoss eröffnet und das alte Haus I, das als einziges in seiner Substanz noch aus der Vorkriegszeit stammte, abgerissen. Das Angebot des Bergmannsheils erweiterte sich in diesem Jahr durch die Einrichtung einer Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie. 1989 folgten u. a. die Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen sowie die Abteilung für Pneumologie und Allergologie. Den Abschluss der Arbeiten nach den ursprünglichen Plänen bildeten das neue Gebäude für Nachbehandlung und Rehabilitation und der Verwaltungstrakt. Durch die Fortschreibung des Entwicklungskonzepts entstand bis 1992 zwischen Haus III und Haus V ein weiteres Gebäude, das u. a. die neue Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie aufnahm. 1997 wurde die gesamte Straßenfront an der Yorckstraße mit Wohngebäuden und dem alten Schwesternwohnheim aus den 1950er-Jahren abgerissen und es begann der Bau des Service-Centers Bergmannsheil, eines Gebäudekomplexes mit Parkhaus, Wohn- und Gewerbeflächen, der 2000 in Betrieb ging. 2004 folgten die Fertigstellung des Neubaus der Pathologie an der Hunscheidtstraße und 2007 des neuen Bettenhauses III, worauf das alte Haus III ebenfalls beseitigt wurde. Zurzeit (2011) läuft der Abriss des alten Hauses II im Rahmen weiterer Baumaßnahmen. Damit ist auch das „zweite“ Bergmannsheil, das Bergmannsheil des Wiederaufbaus und der Nachkriegsjahrzehnte, weitgehend verschwunden. Dietmar Bleidick |
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V.l.n.R.:
Operations- und Behandlungsraum im 1900 fertig gestellten Neubau, Krankensaal um 1910, Krankenzimmer in den 1930er, Zerstörung nach einem Bombenangriff (Klicken Sie auf jede einzelne Ansicht, um sie größer zu sehen! ) |
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Bildmaterial: Bergmannsheil. Text: Dietmar Bleidick - letzte Änderung: 05/2011