Zum Artikel springen

Fotos, Dokumente und Geschichte des Wohnhauses an der Hunscheidtstraße 60
Koe28 Koe28 Koe28
Koe28 Koe28 Koe28

V.l.n.R.:
Bild 1 a-b.:
Vom Architekten Hermann Drüen aufgesetzter Einigungsvertrag zwischen Theodor Backwinkel und Johann Kaiser über die Beilegung eines Rechtsstreits im Rahmen des Grundstückskaufs, 1901.
Bild 2: Lageplan zum Bauantrag von Johann Kaiser mit Prüfvermerk, 1902. Rechts die noch schmale Drusenbergstraße, neben dem Grundstück Kaisers der geplante Verlauf einer neuen Straße. Die Wiemelhauser Friedrichstraße wurde nach der Eingemeindung 1904 zur Hunscheidtstraße.
Bild 3a-c: Grundbuchauszug des Katasteramts Bochum über den Verkauf von Grundstücken des Landwirts Theodor Backwinkel an Johann Kaiser und den Bergmann August Waßkönig, 1901.
Hun-60 Koe28 Sparkasse Kredit
Hun60 Koe28 Hun60



V.l.n.R.: Bild 4.: Das Haus Hunscheidtstraße 60, um 1912. Das Haus gehört zu den wenigen weitgehend unveränderten Gebäuden in der Hunscheidtstraße.
Bild 5.: Rechnung
des Ehrenfelder Architekten Hermann Drüen für die Planung des Hauses
Friedrichstraße 24/Hunscheidtstraße 60 im Auftrag von Johann Kaiser, 1903.
Bild 6.: Mitteilung der Städtischen Sparkasse zu Bochum an Johann Kaiser über die Gewährung einer Hypothek in Höhe von 16.500 Mark auf sein Eigentum in Wiemelhausen, 1902.
Bild 7.:
Angebot der Städtischen Beleuchtungs- & Wasserwerke an Johann Kaiser, eine Entschädigung in Höhe von 45 Mark für die Folgen eines Wasserrohrbruchs zu zahlen, 1903.
Bild 8.: Baugenehmigung des Amtes Bochum II
(Süd) für Johann Kaiser zur Errichtung einer Waschküche, 1902.
Bild 9.:
Mitteilung des Königlichen Amtsgerichts zu Bochum an Johann Kaiser über die Grundbucheintragung benachbarter Grundstücke nach dem Kauf durch Clemens Erlemann, 1906.

(Klicken Sie auf jedes einzelne Bild, um es bildschirmfüllend zu sehen! )

Das Haus Hunscheidtstraße 60

Clemens Erlemann begann nach dem Ankauf von Grundstücken der Familie von Schell in den Jahren 1898 und 1904 mit der Bebauung des Ehrenfelds. Doch auch außerhalb dieses Gebiets entwickelte sich eine gewisse Bautätigkeit. Die uns von Bernd Kaiser, Ottweiler, zur Verfügung gestellten Unterlagen dokumentieren den Bau des Hauses an der Friedrichstraße 24, ab 1904 Hunscheidtstraße 60, durch seinen Großvater, den Königlichen Lokomotivführer Johann Kaiser (1864-1917), und dessen Ehefrau Auguste, geborene Hamblock (1867-1930). Sie bieten einen eindrucksvollen Einblick in die Entstehungsphase des Stadtteils, aber auch in das rigorose Verhalten Erlemanns bei der Durchsetzung seiner Interessen und liefern schließlich Anhaltspunkte für den Niedergang seines Immobilienimperiums.

1901 erwarb Johann Kaiser ein Grundstück an der damaligen Wiemelhauser Friedrichstraße im Hunscheidtsfeld. Verkäufer war der Ökonom (Landwirt) Theodor Backwinkel, ursprünglich einer der größten Grundeigentümer der Region, der 1887 bereits Teile seines Besitzes für den Bau des Bergmannsheils veräußert hatte. Während des Verkaufs müssen heute nicht mehr nachvollziehbare Streitigkeiten zwischen den beiden Vertragspartnern aufgetreten sein, die zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung bis in die zweite Instanz beim Königlichen Oberlandesgericht Hamm führten. Anscheinend erkannte Backwinkel jedoch noch vor dem Urteil die geringen Chancen auf die Durchsetzung seiner Interessen und entschloss sich zu einem Vergleich. Dieser wurde von Hermann Drüen, Kaisers aus dem Ehrenfeld stammendem Architekten, verfasst und bestätigte Ende November 1901 nicht nur die uneingeschränkte Gültigkeit des leider nicht mehr vorhandenen Kaufvertrags, sondern sah auch eine Entschädigung Kaisers vor (Abb. 1).

In dieser Zeit entwarf Drüen die Pläne des Hauses, die wie die Baugenehmigung leider ebenfalls nicht vorliegen. Interessant ist jedoch der vom Amtsbaumeister geprüfte Lageplan (Abb. 2), der einen Einblick in die zeitgenössischen Strukturen des Ehrenfelds erlaubt. Im Umfeld befanden sich bereits vereinzelte Bauten, die einen ersten Siedlungskern am Fuße des Drusenbergs bildeten, der wie das Hunscheidtsfeld bis dahin weitgehend unbebaut war und bis in die 1920er-Jahre auch noch blieb, wie die Grundbuchauszüge belegen. Johann Kaiser und sein Nachbar, der Bergmann August Waßkönig, der zeitgleich mit ihm das Grundstück Friedrichstraße 22 erwarb und ebenfalls ein Haus errichten ließ, gehörten zu den Pionieren in diesem Bereich (Abb. 3). Auch Waßkönigs Haus überstand den Zweiten Weltkrieg weitgehend unbeschadet, wurde jedoch im Verlauf von Modernisierungsmaßnahmen in den 1960er-Jahren seines Fassadenschmucks beraubt.

Die heutige Drusenbergstraße erscheint auf dem Plan als schmaler Weg, der durch Wiesen und Felder zur Wasserstraße führte. Ihr Ausbau stand zunächst wohl nicht auf der Agenda der Stadtplaner, die eher eine Erschließungsstraße von der Friedrichstraße in Richtung Süd-Westen zur Grenzstraße, der späteren Dirschauer Straße, favorisierten. Diese sollte direkt neben Kaisers Haus verlaufen, der aus diesem Grund für die südöstliche Giebelwand das Fensterrecht erhielt und dieses auch nutzte. Das Gebäude wurde in den Jahren 1902/03 errichtet, das Giebelfeld vermerkt als Bauzeit „AD 1902“. (Abb. 4) Die Baukosten betrugen 21.600 Mark (Abb. 5), von denen Kaiser 16.500 Mark durch eine Hypothek der Städtischen Sparkasse zu Bochum finanzierte. (Abb. 6) Die 45 Mark, die Kaiser im Frühjahr 1903 wegen eines durch einen Rohrbruch in der Friedrichstraße hervorgerufenen Wasserschadens erhielt, waren daher kaum der Rede wert. (Abb. 7) Eine externe Waschküche und ein Stallgebäude für die zeittypische Tierhaltung ergänzten das Ensemble. (Abb. 8) Drüen baute in Bochum 1901 an der Elsaßstraße auch die ersten Häuser des Spar- und Bauvereins Bochum, der später maßgeblich an der Erschließung des Ehrenfelds beteiligt sein sollte. Darüber hinaus errichtete er 1930 in Wiemelhausen das zur Petri-Kirche gehörende Paul-Gerhardt-Haus

1906 begann Clemens Erlemann, seine Interessensphäre auszuweiten und erwarb von Backwinkel zahlreiche Grundstücke im Umfeld von Kaisers Haus, worüber ihn das Königliche Amtsgericht zu Bochum unterrichtete. (Abb. 9) Damit war die ruhige Zeit vorbei. Im Frühjahr 1907 erhob Erlemann Einspruch gegen die Fenster an der Giebelseite des Hauses und forderte unter Androhung einer Klage unumwunden die Zumauerung, da er anscheinend beabsichtigte, im direkten Anschluss eigene Gebäude zu errichten. (Abb. 10) Die projektierte Straße war wohl schon zu den Akten gelegt worden. Dieser Drohung fehlte jedoch die rechtliche Grundlage, und Erlemann wählte die Einschüchterungstaktik vielleicht in dem Bewusstsein seiner herausragenden Position im Ehrenfeld. Diese vermittelt eindrucksvoll sein Briefkopf, auf dem er nicht nur das umfangreiche Angebot seiner Firma vorstellte, sondern auch auf seinen Grundbesitz verwies. Dieser umfasste 61.200 Quadratruten oder rund 85 ha. Möglicherweise lässt sich sein Verhalten aber auch als übliches Geschäftsgebaren auf dem Höhepunkt seines Einflusses interpretieren, über das bisher kaum Anhaltspunkte vorlagen.

Schon bald mehrten sich die Anzeichen, dass sich Erlemann vor allem mit dem Bau des Stadttheaters übernommen hatte. Er geriet zusehends in massive finanzielle Schwierigkeiten, die er anscheinend jedoch nicht durch den Verkauf seiner Immobilien zu mildern versuchte. So verlor er im Herbst 1909 seinen Besitz im Bereich der Hunscheidtstraße, der 38 unbebaute Grundstücke mit einer Fläche von fast 12 ha und ein Haus umfasste, durch eine Zwangsversteigerung. (Abb. 11) Dass die Bezeichnung „Tocke“, der alten Name des Ehrenfelds, auch Anfang des 20. Jahrhunderts noch immer verwendet wurde, zeigt die Lageangabe des ersten Grundstücks auf der Versteigerungsliste. Daneben tauchen noch das Hunscheidtsfeld, der Hunscheidtshang und Vierhaus‘ Wiese auf, die als Äcker und Weiden dienten, mit „Holzung“ bewachsen oder „Oedland“ waren.
Nach der Restauration der Fassade 2010 besitzt das Gebäude heute wieder seine ursprüngliche Anmutung.

Dietmar Bleidick, im Juni 2011



Koe28 Koe28 Hun60 Hun60
V.l.n.R - Bild 10.: Drohschreiben von Clemens Erlemann an Johann Kaiser zur Beseitigung von Fenstern an der Südseite seines Hauses, 1907.
Bild 11 a-c: Mitteilung des Königlichen Amtsgerichts zu Bochum an Johann Kaiser über die Zwangsversteigerung benachbarter Grundstücke aus dem Besitz von Clemens Erlemann, 1909.
(Klicken Sie auf jede einzelne Ansicht, um sie größer zu sehen! )
Zurück zur Rubrikübersicht - Hier Klicken!


Bildmaterial: Bernd Kaiser. Text: Dietmar Bleidick - letzte Änderung: 15.06.2011